Unter der linden
- 1. Unter der linden an der heide,
wo unser beider lager
was, da könnet ihr finden zärtlich beide gebrochen,
blumen und das gras:
vor dem wald in einem tal,
tandaradei,
lieblich sang die nachtigall. - 2. Ich kam gegangen zu der aue,
mein liebster war gekommen eh’r,
da ward ich empfangen, hehre Fraue,
dass ich bin selig immer mehr.
Küsst er mich? Wohl tausend stund,
tandaradei,
seht, wie rot mir ist der mund. - 3. Da hat er gemachet reich und sinnig
von blumen eine bettestatt, drum wird noch gelachet
froh und innig, kommt jemand an denselben pfad:
bei den rosen er wohl mag,
tandaradei,
merken, wo das haupt mir lag. - 4. Dass er nah sich legte, wüsst es jemand,
– verhüt es Gott – so schämt ich mich.
Was er mit mir pflegte, nimmer niemand
erfahre das, als er und ich und ein kleines vögelein,
tandaradei,
das mag wohl verschwiegen sein.
Text: Walter von der Vogelweide (um 1170 – um 1230), nachgedichtet von Friedrich Wolters (1876–1930)
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